Erleuchtung ist ein Prozess

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Dieses Interview wurde in einer gekürzten Fassung in dem Berliner Magazin „SEIN“  im Juni 2003 veröffentlicht.

Die bislang in den USA wirkende spirituelle Lehrerin Dr. Heide-Maria Koubenec (Ranjita) kehrt nach 20 Jahren aus Kalifornien nach Deutschland zurück und stellt sich in einem Chakra Workshop mit ihrer Arbeitsweise einem breiteren Publikum vor.  Annette Spicker führte in Berlin ein Gespräch mit ihr und erfuhr Erleuchtendes über Erleuchtung.

A: Was ist Erleuchtung?
HMK: Niemand kann Erleuchtung unwidersprochen erklären oder beschreiben. Es gibt nicht die Erleuchtung, als ein und denselben Zustand, der von allen gleich oder ähnlich erfahren wird. 
Erleuchtung ist meiner Erfahrung nach auch nicht ein einmaliges Ereignis, das uns in einen immerwährenden Zustand erhebt, wie viele glauben, sondern eher ein Prozess, der verschiedene Stufen und Ebenen von Bewusstsein, verschiedene spirituelle Erfahrungen und unterschiedliche Zustände des Seins beschreibt. 

A: Wenn jemand über Erleuchtung spricht, erwartet man doch, dass er oder sie erleuchtet ist, oder? Bist Du erleuchtet?
HMK: Ich selbst habe mich von mir aus nie als erleuchtet bezeichnet. Erleuchtung ist ein unklares Etikett, an das oft glorifizierte Vorstellungen geknüpft sind. Ich ziehe es vor, dass Menschen mich und mein Auftreten nicht an ihren Erwartungen messen und meinen, dieses oder jenes sollte sie tun oder nicht tun, wenn sie erleuchtet ist. Ich sage und tue was ich will und das kann andere durchaus manchmal schockieren. Diese Freiheit genieße ich. 
Vor 22 Jahren hatte ich mein erstes erleuchtendes Erlebnis – so will ich es mal nennen – dass ich völlig für mich behielt.
Ich war damals in totaler Einheit mit allem und eingebettet in eine wundervolle göttliche Liebe, wie ich es nie zuvor erlebt hatte oder beschrieben fand. Ich war schier überwältigt von der Schönheit dieser spirituellen Erfahrung. Ich lief schweigend und voller Glückseeligkeit durch die Natur und strahlte aus allen Knopflöchern.
Ich erzählte niemandem davon, ich hätte eh keine Worte gewusst, um das zu beschreiben!
Dieser Zustand verebbte leider wieder nach einigen Wochen und alles was ich von da ab wollte, war diese Erfahrung als Dauerzustand zu erleben. Ich meditierte, praktizierte Yoga und fastete viele Wochen immer wieder wie eine Wahnsinnige. Ich ging zu Bhagwan/Osho, machte alle Gruppen und gab mich rückhaltlos hin.
1½ Jahre später, also vor über 20 Jahren, hatte ich ein zweites, ziemlich anderes, intensives erleuchtendes Erlebnis. Ich war zuerst fast schockiert von der Intensität der Erfahrung und erlebte sie als in vieler Hinsicht anders, als ich es zum Beispiel bei Bhagwan/Osho, der damals mein Lehrer war, gelesen, gehört und gesehen hatte.
Ich schlief mindestens eine Woche überhaupt nicht und die kommenden Jahre danach nur ca. 1 Stunde pro Nacht. Ich erhielt tagsüber und vor allem nachts faszinierende Informationen über die Welt und das Universum in einer Fülle und einer so rasanten Geschwindigkeit, dass ich es kaum mitdenken konnte, geschweige denn aufschreiben. Die Einsichten waren überwältigend. Es war wie eine Revolution. Ich konnte es kaum fassen, das die neue Realität so völlig anders war als die alte Realität.
Ich war total im Hier und Jetzt und in ständiger Ekstase.

A: Und wie lange hielt dieser Zustand bei Dir an?
HMK: Diese Ebene von „Erleuchtetem Sein“ hielt bei mir über 1 Jahr lang an und ich dachte: das ist es! Jetzt bin ich ein für allemal erleuchtet! Es fühlte sich wirklich wunderbar an, phantastisch frei aber unmöglich zu beschreiben.
Andere Menschen, besonders einige Sannyasins, die zu jener Zeit um mich waren, als ich nur entweder schwieg oder lachte, haben mich als erleuchtet bezeichnet und es anderen weitererzählt. Ich geriet daraufhin in allerlei Schwierigkeiten mit einigen Menschen und kam mit der materiellen Welt überhaupt nicht mehr klar, so dass mir das „erleuchtet sein“ bald gründlich zuviel wurde. Es war eine der krisenreichsten Zeit in meinem ganzen Leben.

A: Ich hätte geglaubt, dass Erleuchtete keine Krisen mehr erleiden. Wie bist Du damit umgegangen?
HMK: Ich floh in die USA, nach Kalifornien, dem westlichen Mekka des New Age und erweiterter Bewusstseinszustände. Ich wollte untertauchen und auch eintauchen in diese Energie. Ich studierte dort mit berühmten Bewusstseinsforschern und anderen spirituellen Lehrern. Mit den wenigsten konnte ich die mich bewegenden tiefergehenden Rätsel über Erleuchtungsebenen, erweiterte Bewusstseinzustände, Seelenwanderung, Einheit, Gott, Außerirdische, Lichtkörper usw. besprechen.
Ich fand aber eine spirituelle Community (ohne Guru), arbeitete dort jahrelang als Partnerschaftstherapeutin und lehrte in kleinem Rahmen Meditation und Chakra-Energiearbeit. Neue Ebenen und Tiefen des Bewusstseins taten sich auf und ich erkannte, dass mein Erleuchtungsprozess immer weiter geht, wenn ich es zulasse. Dort war ein guter Platz dafür.

A: Ich hab das Gefühl, alle Erleuchteten wollen andere zur Erleuchtung führen, aber jeder auf eine andere Art. Was ist dein Weg?
HMK: Andere zur Erleuchtung zu führen ist mir ein zu hoher Anspruch. Zu welcher? Meiner Erfahrung nach wollen die meisten Menschen einfach nur glücklich sein! Niemand will erleuchtet sein um der Wahrheit willen! Wenn Wahrheit weh täte, würdest du sie dann suchen?
Die Menschen wollen erleuchtet sein, weil sie glauben, dann für immer glücklich sein zu können. Deswegen zielt meine Arbeit in erster Linie darauf hin, die Menschen heil und ganz und damit glücklicher zu machen.
Ich arbeite hauptsächlich mit dem Chakrasystem, denn es erfasst wie kein anderes alle Aspekte des menschlichen Seins auf dem Weg zu Ganzheit bis hin zur Erleuchtung. Ich arbeite auch gerne und viel mit dem Körper und vor allem mit der Herzenergie, die bei mentalen Erleuchtungskonzepten östlicher Traditionen oft zu kurz kommen.
Das sind aber alles nur Vorbereitungen, denn Erleuchtung auf hoher Ebene war schon immer verbunden mit geheimem Wissen und das ist gut so. Erleuchtungszustände zu integrieren kann wirklich schwierig sein, und wenn Erleuchtung für die falsche Person, am falschen Ort, zur falschen Zeit geschieht, z.B. durch einen unerfahrenen Lehrer oder durch Drogen, kann das sogar gefährlich sein.
In Indien sagt man: Erleuchtung und Wahnsinn liegen dicht beieinander. So gesehen ist es zum Schutz der Suchenden und auch zum Schutz des behüteten alten Wissens, dass es nicht in öffentlichen Veranstaltungen, wie z.B. Satsangs, vermittelt werden kann.

A: Wie siehst Du das Auftauchen immer neuer Satsang Lehrer?
HMK: Es ist verlockend nach einem Erleuchtungserlebnis das Guru /Schüler Spiel anzunehmen, vor allem wenn der eigene Lehrer oder das eigene „abgelegte“ Ego einen dazu anregen. Das Ego just loves it!  Auch die neue Sprachregelung statt „Guru“ und „erleuchtet sein“ jetzt „Satsang- Lehrer“ und „erwacht sein“  ändert daran nichts, es ist das gleiche Spiel. Viele LehrerInnen erliegen solchen und ähnlichen Versuchungen (ich tat es auch) . Damit schadet man nicht nur sich selbst, sondern kann auch andere nur bedingt anleiten oder ihnen wirklich weiterhelfen.
Ich habe vor 11 Jahren in Kalifornien auch eine Weile lang Satsang gegeben, weil ich ausprobieren wollte, wie ich meine Erfahrungen weitergeben könnte. Etwas später, als die Satsangwelle dort zu surfen begann, bin ich oft in die Satsangs von den „neuen Erleuchteten“ gegangen und stellte viele Fragen.
Ich habe bald die Erfahrung gemacht, dass das Arrangement Satsang begrenzt ist und wenig Möglichkeiten für persönliches Wachstum oder die Erfahrung von höheren Bewusstseinsebenen bietet.
Meines Erachtens sind Meditation sowie eine körperbezogene spirituelle Praxis und die Entwicklung der Persönlichkeit unabdingbare Grundvoraussetzungen, wenn man auf dem spirituellen Weg weit vorankommen will. Es reicht nicht aus bei jemandem im Satsang zu sitzen, obwohl das komfortabel, schön und einfach sein mag. Es passiert wenig, aber es beruhigt das Gewissen.
Ich habe immer wieder den Eindruck gewonnen, dass neue Satsang Lehrer meistens zu früh glauben, erleuchtet zu sein und anfangen zu lehren. Dadurch schreibt man leicht eine Identität fest und die Gefahr besteht, das man zu dem wird, was andere auf einen projizieren. Die Folge ist Stillstand; man schwimmt im eigenen Konzept bzw. in dem seiner spirituellen Abstammungslinie und findet nicht mehr heraus. Man hält es für wahr. Das Problem ist, dass man bestimmten Zuständen wie Einheit, universelle Liebe, Leere, Nichts, Im Hier und Jetzt sein usw. anhaftet, anstatt sie geschehen zu lassen, zu durchwandern und weiterzugehen.
Ich bin der Auffassung, dass Erleuchtete nicht nur ihre gelassene Überlegenheit über die Niederungen des menschlichen Lebens demonstrieren sollten, sondern den Suchenden ganz konkrete Lebenshilfe geben müssen, wie z. B. Eckehart Tolle mit seinem Meisterwerk „Jetzt“. Er brauchte Jahre, um seine Erleuchtung zu integrieren und hat uns dadurch mit seinem Buch ein großartiges Geschenk gemacht.

A: Warum bist du nach Deutschland zurückgekommen?
HMK: Das ist eine zu lange Geschichte, fast ein spiritueller Science Fiction Film. Die Zeit in USA war einfach zu Ende und ich bin inzwischen auch froh wieder hier zu sein.
In Deutschland biete ich jetzt Chakra-Workshops zusammen mit Uwe Kloss an, einem Lehrer für Tanz und Bewegung, ein Meister seines Faches. Er ist in Deutschland durch seine Energy Dance Arbeit in Fachkreisen bereits weit bekannt. Der Spielraum und die Tiefe der möglichen Erfahrungen in unserer Zusammenarbeit sind für die Teilnehmer, wie ich finde, außerordentlich weitreichend und transformierend.
Liebe, Freude und Ekstase unter Einbeziehung des Körpers, dem Tempel unserer Seele, sind wichtige Aspekte sowohl für unser Leben als auch für irgendeine Ebene von Erleuchtung.